Rechtlicher Status
vom GanterMobil

Rechtlicher Status des Mehrpersonenfahrrads „ConferenceBike"

Sie fragen nach dem rechtlichen Status des  Mehrpersonenfahrrads "ConferenceBike", insbesondere danach, wie ein solches Fahrzeug nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) einzuordnen ist und ob es nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt ist, mit dem ConferenceBike auf der Fahrbahn zu fahren, auch wenn ein benutzungspflichtiger Radweg vorhanden ist.

1. Beschreibung

Das ConferenceBike ist nach dem übersandten Prospekt und Ihrer ergänzenden Beschreibung ein mit Muskelkraft betriebenes Fahrzeug mit einer Länge von 2,50 m und einer Breite von ca. 1,80 m und sieben Sitzplätzen. Einen dieser Sitzplätze mit Blick in die Fahrtrichtung nimmt der Fahrer ein, der auch das Lenkrad bedient. Die anderen sechs Sitzplätze sind im Kreis um den Mittelpunkt des Fahrzeugs herum
angeordnet. Das Conferenceßike wird allein durch die Muskelkraft des Fahrers oder der Fahrer angetrieben, es hat insbesondere keinen maschinellen Zusatz- oder Hilfsantrieb. Jeder der sieben Fahrer kann über ein eigenes Tretlager mit Pedalen zur Fortbewegung des ConferenceBikes beitragen. Das ConferenceBike ist  darüber hinaus mit zwei voneinander unabhängigen hydraulischen Bremssystemen ausgestattet.

2. Zulassung zum Straßenverkehr

Die maßgeblichen Vorschriften für die Zulassung und den Betrieb von Straßenfahrzeugen in Deutschland enthält die auf Grund des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) erlassene Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) mit folgender Systematik:

I. Zulassung von Fahrzeugen im allgemeinen
II. Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger
III. Bau- und Betriebsvorschriften
1. Allgemeine Vorschriften
2. Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger
3. Andere Straßenfahrzeuge

Nach§ 16 Abs. 1 StVZO sind zum Verkehr auf öffentlichen Straßen alle Fahrzeuge zugelassen, die den Vorschriften der StVZO und der StVO entsprechen, soweit nicht für die Zulassung einzelner Fahrzeugarten ein Erlaubnisverfahren vorgeschrieben ist.

a) Kraftfahrzeuge
Zulassungspflichtig sind nach § 18 Abs. 1 StVZO insbesondere Kraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h. Unter einem Kraftfahrzeug versteht das Straßenverkehrsrecht ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Ein Fahrzeug, das nicht maschinell angetrieben wird (Verbrennungsmaschine, Elektromotor), ist kein Kraftfahrzeug. Da das ConferenceBike nicht mit einem maschinellem Antrieb ausgestattet ist, fällt es nicht unter die Regeln des StVG und der StVZO für Kraftfahrzeuge.

b) Sonstige Fortbewegungsmittel
Es ist auch kein „sonstiges Fortbewegungsmittel" nach § 16 Abs. 2 StVZO. Diese Vorschrift bestimmt, dass Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche Fortbewegungsmittel nicht Fahrzeuge im Sinne der StVZO sind. Nach § 24 StVO darf mit solchen „besonderen Fortbewegungsmitteln" nur dort gefahren werden, wo Fußgängerverkehr zulässig ist. Es handelt sich dabei um Fortbewegungsmittel, die ohne wesentliche Gefährdung von Fußgängern dem Gehwegverkehr zugeordnet werden können. Gemeinsam ist ihnen geringe Größe, meist geringes Eigengewicht und geringe Fahrgeschwindigkeit. Sie werden zumeist ohne Steigerung der Bewegungsenergie durch Schieben, Ziehen, Stoßen oder Abstoßen bewegt (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 24 StVO, Randnummer 6). Alle diese Eigenschaften treffen auf das ConferenceBike nicht zu. Auf Grund seiner Größe, Maße (Leergewicht 200 kg) und erreichbaren Geschwindigkeit kann es nicht dem Gehwegverkehr zugeordnet werden.

c) Andere Straßenfahrzeuge, insbesondere Fahrräder
Das ConferenceBike ist daher weder Kraftfahrzeug noch Fortbewegungsmittel, sondern ein „anderes Straßenfahrzeug" im Sinne der §§ 63 bis 67 StVZO. Nach § 63 StVZO gelten die Vorschriften über Abmessungen, Achslast, Gesamtgewicht und Bereifung von Kraftfahrzeugen für andere Straßenfahrzeuge entsprechend. Auf die Einzelheiten will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Die Maße und Gewichte des ConferenceBikes liegen weit unter den höchstzulässigen Breiten (2,55 m) und Längen ( 12,00 m) von Kraftfahrzeugen (§ 32 StVZO). Der Abschnitt „Andere Straßenfahrzeuge" enthält neben dem Verweis auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften für Kraftfahrzeuge besondere Vorschriften für Fahrräder. Für diese wird insbesondere die Ausstattung mit einer helltönenden Glocke, zwei voneinander unabhängigen Bremsen und mit im einzelnen beschriebenen lichttechnischen Einrichtungen verlangt (§§ 64 a, 65 und 67 StVZO). Für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften und für die später noch zu erörternde Frage der Radwegebenutzungspflicht ist zu klären, ob es sich bei dem ConferenceBike um ein Fahrrad handelt.

d) Das ConferenceBike als Fahrrad
Der Begriff „Fahrrad" wird in StVG, StVZO und StVO nicht definiert. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch einen internationalen Vertrag unterzeichnet, nämlich das übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968, BGBI. II 1977 S. 811. In diesem „Wiener übereinkommen" ist das Fahrrad als Fahrzeug mit wenigstens zwei Rädern definiert, das ausschließlich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen, insbesondere mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln, angetrieben wird.

Die Tatsache, dass das ConferenceBike mehr als zwei Räder hat und von mehr als einer Person angetrieben wird, steht deshalb seiner Fahrradeigenschaft nicht entgegen. Die Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) zu§ 2 StVO verweist auf die Fahrrad-Definition des Wiener Übereinkommens und unterscheidet ausdrücklich zwischen einspurigen Fahrrädern und anderen Fahrrädern wie mehrspurigen Lastenfahrrädern und Fahrrädern mit Anhängern. Das ConferenceBike ist ein solches mehrspuriges Fahrrad, das zudem für mehrere Personen bestimmt ist.

Zur Personenbeförderung auf Fahrrädern enthält § 21 Abs. 3 StVO eine besondere Regelung. Danach dürfen auf Fahrrädern nur Kinder unter 7 Jahren von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden. Diese Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut (Mitnahme von Personen) nur für die Beförderung von Passagieren, die selbst nicht zur Fortbewegung beitragen. Solche Fahrgäste, insbesondere Kinder, dürfen nur auf besonderen Sitzen mitgenommen werden. Die Altersgrenzen gelten aber nicht für Fahrräder mit mehreren Fahrern, für die jeweils ein Sitz vorhanden ist. Als zulässig nennt Hentschel ausdrücklich „mehr sitzige Tandems mit einem Fahrer je Sitz" (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 21 StVO, Randnummer 14).

e) Zwischenergebnis
Das ConferenceBike ist somit ein mehrsitziges, mehrspuriges Fahrrad für bis zu sieben Fahrer. Als Nicht-Kraftfahrzeug benötigt es weder ein Zulassungsverfahren noch eine Pflichtversicherung. Aus der StVZO sind die Bau- und Betriebsvorschriften für Fahrräder sowie sinngemäß die Vorschriften über Abmessungen, Achslast, Gesamt~gewicht und Bereifung von Kraftfahrzeugen anzuwenden. Wenn diese Vorschriften eingehalten werden, ist das ConferenceBike zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen (vgl. § 16 Abs. 1 StVZO). Eines Zulassungsverfahrens durch eine Straßenverkehrsbehörde bedarf es nicht. Erst recht sind einzelne Straßenverkehrsbehörden nicht befugt, den Verkehr mit einem generell zugelassenem Straßenfahrzeug zu untersagen.

4. Verkehrsverhaltensrecht (StVO)

Für das ConferenceBike gelten daher die Verhaltensvorschriften der StVO für Fahrzeuge und die Sondervorschriften für Fahrräder. Die Straßenbenutzung durch Fahrzeuge ist in § 2 StVO geregelt. Nach Abs. 1 müssen Fahrzeuge die Fahrbahn benutzen. Nach Abs. 4 müssen Radfahrer Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet ist. Andere rechte Radwege dürfen sie benutzen. Sie dürfen ferner rechte Seitenstreifen benutzen wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden. Wie oben festgestellt, ist das ConferenceBike ein Fahrrad. Fraglich ist aber, ob es mit seiner Breite von ca. 1 , 80 m auf benutzungspflichtige Radwege verwiesen werden kann.

a) Anforderungen an benutzungspflichtige Radwege
Die Verwaltungsvorschrift zu Abs. 4 S. 2 StVO legt für die Kennzeichnung benutzungspflichtiger Radwege bestimmte Maße fest. Dies sind für baulich angelegte Radwege mit Zeichen 237 „möglichst 2,00 m, mindestens 1,50 m", für Radfahrstreifen „möglichst 1,85 m, mindestens 1,50 m", für gemeinsame Fuß- und Radwege innerorts mindestens 2,50 m, außerorts mindestens 2,00m und für Zeichen 241 (getrennter Fuß- und Radweg) für den Radweg mindestens 1,50 m. Es ist zu berücksichtigen, dass diese lichte Breite den „befestigten Verkehrsraum mit Sicherheitsraum" meint. Dieser Sicherheitsraum beträgt 0,25 m zu jeder Seite, so dass ein Radweg von 1,50 m Breite nach der VwV-StVO nur einen Verkehrsraum von 1,00 m aufweisen muss, ein Radweg mit dem angestrebten Maß von 2,00 m entsprechend einen Verkehrsraum von 1, 50 m Breite.

Der genannte Sicherheitsraum muss zwar frei von Hindernissen sein, liegt aber neben der befestigten Verkehrsfläche und muss selbst keine feste Oberfläche haben. Daraus ergibt sich, dass mit dem Zeichen 237 ausgeschilderte Radwege selbst bei Einhaltung der von der VwV-StVO geforderten Idealmaße keine ausreichende Breite für ein 1,80 m breites Mehrpersonenfahrrad haben, erst recht nicht, wenn sie nur die Mindestmaße aufweisen, was in der Praxis häufig der Fall ist. Entsprechend gilt dies für die mit Zeichen 240 ausgeschilderten gemeinsamen Fuß und Radwege. Hier steht zwar mehr Raum zur Verfügung, diese Verkehrsfläche teilen sich aber Radfahrer und Fußgänger.

b) Auslegung von Radwegen für einspurige Fahrräder
Die VwV-StVO geht davon aus, dass benutzungspflichtige Radwege mit den aufgeführten Maßen beziehungsweise Mindestmaßen nur für gewöhnliche Fahrräder geeignet sind. In Abschnitt II. 2. a) der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 StVO heißt es: „Die vorgegebenen Maße für die lichte Breite beziehen sich auf ein einspuriges Fahrrad. Andere Fahrräder (vgl. Definition des Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 8. November 1968, BGBI. 11 1977 S. 811) wie mehrspurige Lastenfahrräder, Fahrräder mit Anhänger werden davon nicht erfasst. Die Führer anderer Fahrräder sollen in der Regel dann, wenn die Benutzung des Radweges den Umständen des Einzelfalles unzumutbar ist, nicht beanstandet werden, wenn sie den Radweg nicht benutzen".

Die aufgeführten mehrspurigen Lastenfahrräder und Fahrräder mit Anhänger stehen nur als Beispiel für „andere Fahrräder'' wie Dreiräder, Mehrpersonenräder usw. Zu diesen anderen Fahrrädern gehört auch das mehrspurige Mehrpersonenfahrrad ConferenceBike. Zwar will die VwV-StVO es von den Umständen des Einzelfalles abhängig machen, ob von dem Führer eines solchen mehrspurigen Fahrrads die Benutzung des Radweges verlangt wird. Nach den oben aufgeführten Maßen für benutzungspflichtige Radwege, die in der Praxis aus Mangel an Straßenraum in der Regel nicht überschritten werden, ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein ausreichend breiter Radweg zur Verfügung steht, dessen Benutzung mit einem mehrspurigem Fahrrad nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar und dessen Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist. So lauten nämlich die Kriterien für die Kennzeichnung eines Radwegs als benutzungspflichtig (Abschnitt II. 2. VwV-StVO zu Abs. 4 S. 2 StVO).

Es genügt nicht, dass der Radweg stellenweise so breit ist, dass die Benutzung mit einem 1,80 m breiten mehrspurigen Fahrrad möglich wäre. Gefordert wird vielmehr als Kriterium für die Zumutbarkeit der Benutzung eine stetige Linienführung. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch benutzungspflichtige Radwege mit Regelbreite Engstellen enthalten können, da auf Grund örtlicher oder verkehrlicher Verhältnisse an kurzen Abschnitten von den Mindestmaßen abgewichen werden kann (vgl. Abschnitt II. 2. A) VwV-StVO zu Abs. 4 S. 2 StVO). Solche Engstellen wären für das ConferenceBike nicht passierbar. Da Radwege für einspurige Fahrräder geplant sind, sind vor solchen Engstellen auch keine Bordsteinabsenkungen zum Ausweichen auf die Fahrbahn vorgesehen. Weitere Hindernisse für mehrspurige Fahrräder auf Radwegen bestehen in Form von Absperrpfählen, Umlaufschranken, Schilderpfosten, Ampelmasten und Laternenpfählen. Einrichtungen dieser Art finden sich regelmäßig auf oder an Radwegen und stellen für ein mehrspuriges Fahrrad unüberwindliche Hindernisse dar.
Aus diesen Gründen wird die Benutzung des Radwegs mit dem Mehrpersonenfahrrad ConferenceBike nicht nur im Einzelfall, sondern in aller Regel unzumutbar sein. Unter diesen Umständen kann es nicht beanstandet werden, wenn der Führer dieses Fahrrads den Radweg nicht benutzt.

5. Zusammenfassung

Das ConferenceBike ist ein mehrsitziges, mehrspuriges Fahrrad, das zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist(§ 16 Abs. 1 StVZO). Nach § 2 Abs. 1 S. 1 StVO darf - und muss - der Führer eines ConferenceBikes dann, wenn ein benutzungspflichtiger Radweg nicht vorhanden oder nicht zumutbar benutzbar ist, auf der Fahrbahn fahren.

Roland Huhn, Rechtsanwalt
Rechtsreferent des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs

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